Ihr hättet mich gestern Morgen sehen sollen. Wie ich kühn mit dem Rad gen Sonnenaufgang Richtung Ostkreuz geradelt bin. Ein S-Bahn-Vorfall hatte den öffentlichen Nahverkehr für einige Minuten oder Stunden – wer weiß das schon – unvorhersehbar gemacht, und ich wollte meinen Zug Richtung Heimat unbedingt erwischen. Das letzte Geleit für meinen Großvater auf keinen Fall verpassen!

Mein Onkel, in der Reihe hinter mir, schnauft mir zu, dass er Beerdigungen nicht ausstehen kann. Ich stimme ihm zu. Wer möchte sich schon freiwillig mit diesen Gefühlen auseinandersetzen?! Ich verspüre gegenüber einem solchem Anlass ebenso leichte Widerstände. Zögere Momente, die mich überwältigen können, hinaus. Auch wenn ich weiß: Wenn ich dann da bin, wird es gut sein. Ich werde mich wohl fühlen. In diesem Fall mit vielen berührten und mitfühlenden Gesichtern von Nachbarn, Freunden, Verwandten… als ich mich umschaue von meinem Sitz auf der hölzernen Bank der alten Dorf-Kirche, auf der ich mit meinen Eltern und Geschwistern Platz genommen habe.

Ein bisschen Geduld ist schon von Nöten, sich darauf einzulassen, an diesem neuen Ort, in dieser Situation anzukommen. Im Moment zu sein. Aber als der Pfarrer schließlich vom Leben meines Opas erzählt, mit dessen Stationen und Begegnungen werde ich ruhiger. Es ist ein schöner Tag. Ein wirklich schöner, warmer Herbsttag. Ein guter Tag für diesen Abschied, denke ich, als die Urne ins Grab eingelassen wird und sich alle verbeugen, vor einem Leben, das nun bis in alle Ewigkeit reicht.

Danach wird noch im Vereinsheim bei Kaffee und Kuchen zusammengesessen. Das ist für mich der schönste Teil einer Trauerfeier. Denn da kommen alle zusammen, sind herzlich und offen. Wir können über die reden, die wir vermissen. Wir teilen Schmerz, er wird dadurch erträglicher. Wir reden über uns. Vielleicht nur Belangloses, vielleicht gar nicht viel, aber alles ist unglaublich intensiv. Es ist wie der Blick durch eine Lupe, in der sich das Lebenslicht bündelt.

Eine Freundin hat mal gesagt, es wäre doch besser, sich nicht erst zur Beerdigung Zeit zu nehmen, sondern einen Menschen zu besuchen, wenn er lebt. Recht hat sie! Ich empfehle beides. Dieses Abschiedsritual ist nicht so sehr für die Verstorbenen gemacht, sondern vielmehr um die Menschen, die bleiben, ans Leben zu erinnern. Und sich einander zu versichern.

Bis sich alle umarmen, noch herzlicher als sonst zum: Auf Wiedersehen. Und wieder in ihren Alltag tauchen und hoffentlich ein Stück dieser besonderen Wertschätzung und Wärme mitnehmen.


Dazu spielt:


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