Ich bin alte Bilder durchgegangen, auf der Suche nach einer Aufnahme, die ein bisschen die Atmosphäre wiedergeben kann, von diesem Ort. Und beim Stöbern haben mich dann ganz unerwartet ein paar warme Schauer durchfahren, erinnert an die Stationen meines eigenen Schaffens und auch von der Feststellung überrascht, dass ich dort recht häufig zugange war: in der Zukunft am Ostkreuz. Das Foto zeigt einen Auftritt zusammen mit der französischen Singer-Songwriterin Lione und meinem ehemaligen Duo-Partner Dirk Wilhelm, im Frühjahr 2017.

Eigentlich hatte ich gehofft, ich hätte ein Foto mit dem Fragezeichen darauf. Im Klaviersaal hinten, leicht links, steht ein Panzerschrank und darauf gemalt ist ein fettes schwarzes Fragezeichen. Total unpassend, dachte ich immer, findet es seit einigen Monaten die dazugehörige Frage: Wie geht es weiter mit der Zukunft?

Mit einer Freundin diskutierte ich bisweilen, ob es „das“ (behauptet sie) oder „die“ Zukunft heißt. Ich bin auf jeden Fall für „die“. Ich liebe dieses Wortspiel! Und auch die Idee, das Wort Zukunft mit diesem Ort zu verbinden, ist einfach genial: Denn da ist gar nichts futuristisch oder modern, jedenfalls ganz anders als wir allgemein hin einen Zukunftsbegriff denken.

Auferstanden von Ruinen, darauf spielt „Pompeji“ an, Name des Freiluftkinos auf dem Gelände. Davor war es das „Ministerium für Entspannung“, als Menschen noch nicht so sehr nach vorn schauen mussten, sondern es sich im Hier und Jetzt gemütlich machten. Auch wenn ich schon lang genug in Berlin lebe, kenne ich besagten Techno-Club höchstens vom Hörensagen. Die Schlagzeile, dass dieser im Jahre 2009 abgebrannt ist, entzieht sich meiner Erinnerung, nachgelesen nur, dass 2011 die Zukunft am Ostkreuz eröffnete.

Meine Bekanntschaft mit diesem Areal beginnt vor einigen Jahren im Klaviersaal, in diesem werden kleine Lesungen und Konzerte veranstaltet. Mit der Anfrage, ein Musik- und Kulturfestival mit zu organisieren und dem Sonne-über-Berlin-Verein beizutreten, habe ich mehr Einblick bekommen: In diese Räume, die ebenerdig und unterirdisch, labyrinth-mäßig verbunden sind, das Gelände ums Haus herum entdeckt, die Menschen hinter dem Geschehen kennengelernt. Es gibt von Ausstellungsräumen über Kneipe mit Live-Musik und Kultur, Theatervorführungen und Kinos, In- und Outdoor, alles Mögliche. Außerdem ist es Treffpunkt für Freunde, Vereine und Gruppen.

Es macht den Eindruck, dass es den Betreibern nicht vordergründig ums Geldverdienen geht, sondern darum, einen Ort für alle zu erhalten und immer wieder neu zu erfinden. Räume für Gestaltung anzubieten, jenseits des großen Geldbeutels. Eine Erzählung von Zukunft, die wir wieder in die Geschichtsbücher aufnehmen sollten: Nicht immer Mehr-Höher-Weiter. Sondern, da wo wir sind, mit dem was wir haben, gestalten wir.

Und so bin ich sehr erschüttert von der Nachricht, dass Ende März Schluss sein soll damit… Die genauen Hintergründe, warum der Mietvertrag nicht verlängert wird, sind mir persönlich nicht bekannt. Klar ist, dass die angrenzenden Grundstücke schon länger verkauft sind an große Investoren. Auch die Laskerwiese, ein gemeinnütziger Stadtgarten-Verein gegenüber, ist von dieser Art Verdrängung bedroht. Aber was spricht eigentlich gegen ein Miteinander von Bestehendem und Neuem, in einer vielfältigen, lebendigen Zukunft?

Mir kommt gerade noch eine Idee zum Panzerschrank mit dem Fragezeichen… Ich hatte irgendwann mal gefragt, was es damit auf sich hätte und meine mich zu erinnern, dass ungeklärt ist, was darin ist. Vielleicht an der Zeit, das zu überprüfen und die Milliarden… DM(?) zu sichern?! Also, nur im Fall der Fälle – falls die Entscheidungsträger, sich nicht mit Menschenverstand, schlüssigen Argumenten und Perspektiven von einem Fortbestand der Zukunft überzeugen lassen.

Gerade werden Unterschriften gesammelt für eine Petition: hier! Auch Aktionen sind geplant, wie eine Kundgebung am 13.11. 13 Uhr am Rudolfplatz, einem Aktionstag am 03.12… Weitere Infos: https://zukunft-ostkreuz.de/

Dazu spielt:


… aber, oder, und… – Schreib mir gern deine Gedanken und Erfahrungen: info@janaberwig.de