Du mir
Die Lust im Verborgenen
Ich kann mich noch erinnern, wie ich mich abends ins Wohnzimmer schlich, wenn meine Eltern ausgegangen waren, und den Fernseher einschaltete. Neben ein paar Grusel-Klassikern, die ich auf VHS konsumierte, bot das Nach-22-Uhr-Programm der Fernsehsender einiges Interessantes für neugierige Kinder-Augen. Damals, ja damals, gab es das sogar im Sonntagnachmittagsprogramm. Da saß ich dann, vorab das Fernsehprogramm ausführlich studiert, bei meiner Oma in der guten Stube. Oma auf dem Sofa, die über ihrer Strickarbeit immer wieder einnickte… und den Moment bot, in dem ich von dem irgendeinen Film, auf RTL zu „Zärtliche Cousinen“ schaltete. Und schnell zurück, wenn meine Oma aufwachte. Das war doppelt aufregend, doppelt verboten.
Aus heutiger Sicht gilt dieser Film wahrscheinlich schon als harmlos. Die angedeuteten Sex-Szenen von früher werden durch deutliche Darstellungen abgelöst. Kinder haben durch das Internet ganz einfach Zugang zu sexualisierten und pornografischen Inhalten. RTL setzt inzwischen auf lebensechte Laiendarsteller mit seinen Dating-Formaten… In den Mediatheken zu jeder Tageszeit abrufbar. Der Hinweis FSK 16 oben rechts im Vorschaubild wirkt wie eine dekorative Plakette vergangener Zeit.
Leider hat sich der Umgang mit Sex und Sexualität dennoch nicht wirklich verändert, aus meiner Sicht. Wir schauen uns das gern an, gehen dem gern nach, aber wir sprechen nicht darüber. Also, wir sagen, vielleicht, dass wir es tun – Pornos schauen, Sex haben. Aber nicht wie. Halten uns schamhaft die Ohren zu, wenn jemand gar zu ausführlich aus seinem oder ihrem Sexleben berichtet. Außerdem fehlt darin in der Regel die Erzählung von Intimität, von der Nähe zwischen Menschen und von einem respektvollen Miteinander auf Augenhöhe.
Für Männer mag das alltäglicher sein, Dinge(r) beim Namen zu nennen. Sehen wir doch an fast jeder Wand einen angemalten oder aufgesprayten Penis. Dass Vaginen abgebildet werden, ist noch nicht so lang Mode. Dabei sollten Frauen auch anfangen oder weiter machen, die Geschichte ihrer eigenen Lust erzählen, ohne Scham und Angst vor Verurteilungen… Wobei das Männer sicher ebenso noch lernen müssen, fernab von Rollen-Klischees.
Durch Zufall bin ich auf das Buch von Katja Lewina gestoßen: „Bock. Männer und Sex“, dann auf den Vorgänger: „Sie hat Bock“. Tolle Aufklärungswerke für Erwachsene. Auch Serien wie „Sex Education“ leisten einen guten Impuls zu einem offenen Umgang mit unserer Sexualität. Denn wir wissen ja heutzutage, wohin zu viele Geheimnisse führen können… Genauso wissen wir inzwischen, dass unsere Geschichte selbst gemacht ist, und dass wir sie mit unserem Handeln umgestalten können. Jedenfalls als winzig-kleinen Textbaustein einer Riesen-Geschichte der Menschheit und ihr Miteinander… im Bett.
Was hat das nun alles mit meinem Song „Du mir“ zu tun? Ich denke, die Begegnung, von der ich darin erzähle, war der Impuls, mich anders mit meiner Lust auseinanderzusetzen: Ihr einen echten Raum zu geben, in der sie sich entfalten kann. Ihr eine Sprache zu verleihen und keine Angst zu haben, vor expliziten Inhalten. Mich zu emanzipieren. Gleichzeitig bleibt diese Beziehung im Verborgenen, etwas Unausgesprochenes. Weil wir in dieser Gesellschaft gar nicht gelernt haben zu verstehen, dass uns jemand etwas bedeuten kann, selbst wenn wir kein Label „Zweier-Beziehung“ draufkleben können oder wollen. Und vielleicht ist genau das der Reiz daran. Und die Erkenntnis, dass wir uns darüber weiterentwickeln können.
Dazu spielt: „Du mir“
… aber, oder, und… – Schreib mir gern deine Gedanken und Erfahrungen: info@janaberwig.de