Vor ein paar Tagen wurde ich fast gecancelt. Zum Glück war das mit Ankündigung: „Wenn du so und so, dann…“ und ich habe mich gleich entschuldigt. Ich möchte nicht gecancelt werden. Es ging um das Thema Krieg und daran scheiden sich dieser Tage deutlich die Geister. Mir wurde unterstellt, dass ich Kriegsverbrechen befürworte und dafür wäre, dass sich Menschen freiwillig töten lassen sollen. Was nicht stimmt, ich sehe nur die enormen Verluste an Menschenleben, und dass Krieg zu noch mehr Krieg führen kann.

Es ist schwer eine Debatte zu führen und der anderen Meinung Raum zu geben. Wenn es nicht die eigene ist. Das sehe ich ein. Und mir ist gar nicht bewusst, wie sensibel dieses Thema sein kann.

Dabei ist mir das anfangs selbst so gegangen. Ich habe mich angegriffen gefühlt, wenn mir jemand Naivität vorgeworfen hat. Ich denke, man kann in einer Gesellschaft mit Kriegen für Frieden sein. Ich denke, es ist sogar wichtig, sich eine friedliche Haltung zu bewahren. Ich finde wichtig, dass der ukrainischen Bevölkerung geholfen wird, sie hier aufgenommen wird. Die Solidarität diesbezüglich ist sehr hoch momentan. Ich finde gleichermaßen wichtig, sich dem täglichen Miteinander zu widmen. Denn andere Menschen hören ja nicht auf zu existieren, die gibt es nach wie vor. Unsere Solidarität sollte eher etwas Alltägliches bekommen, statt immer nur für den Moment wachgerüttelt zu werden.

Dann würde das auch besser mit dem Frieden klappen, denke ich. Schon wieder zu viel „ich“. Mir wurde Überhöhung vorgeworfen und dass ich mich zu wichtig nehme. Was ich mir einbilde, was ich für einen Stuss rede. Das hat mich sehr verletzt, kam es von einem Menschen, der mir wichtig ist und ich wusste gar nicht, wo dieser Angriff herkam. Mit einmal drüber schlafen denke ich über seine Haltung: Es ist einfacher, sich für eine bestimmte Position zu entscheiden und diese nicht zu hinterfragen. Dann wird jeder, der an dem Gedankengerüst rüttelt, zum Feind. Wie ich in dem Fall.

Vielleicht bin ich diese Unterhaltung zu lax angegangen. Mir war nicht bewusst, wie tief der Stachel auf der anderen Seite sitzt. Und dass es mir schwerfällt auszuhalten, die Klappe zu halten. Ich möchte mich eigentlich immer austauschen und diskutieren. Und bin neugierig vom anderen zu erfahren. In dem Fall war das ein Satz mit x: War wohl nix.

Ich frage mich manchmal, ob ich es als Mann leichter hätte, meine Haltung zu verteidigen mit Gesprächspartnern. Und ob ich als Mann mehr Zuspruch bekäme. Und vor allem, ob meine Meinung einfacher zu respektieren wäre. Dass ist im Grunde das, was mir fehlt. So bleibe ich im Halbdunkel. Es bleibt eine Übung, die eigene Stimme zu bewahren und damit nach außen zu gehen, wie ich jetzt – geschützt auf meinem Blog – meine Gedanken preisgebe.

Was ich als erfreulich wahrnehme: Früher hätte mich sowas vielleicht eingeschüchtert und verzweifeln lassen. Vielleicht hätte ich eine General-Entschuldigung gegeben. Oder hätte gesagt: dann cancel mich doch. Oder andere Sachen, die man sagt und tut, wenn man beleidigt ist. Oder ich hätte versucht mich zu ändern, um dem anderen zu gefallen. Aber das mache ich nicht und meine Haltung kann mir niemand nehmen. Ich muss auch das Verhältnis zu dem Menschen nicht in Frage stellen, nur weil wir unterschiedliche Meinungen haben. Ich sehe doch ganz klar, dass wir auf derselben Seite stehen. Und mache mir Gedanken, wie ich weiter im Gespräch bleiben kann mit ihm.

Ich kann mich entschuldigen, dass ich zu leichtfertig herangegangen bin. Vielleicht presche ich manchmal zu schnell vor, zu unbedarft. Ich sehe, dass sich mein Gegenüber hinter Mauern versteckt und gar nicht gewohnt ist, sich auf diese Art auseinanderzusetzen. Eine solche Mauer kann auch bedeuten, sich auf bestimmte öffentlich Meinungen zu berufen, damit vermeidet man, sich selbst zu zeigen. Dabei interessiert mich genau diese eigene Stimme. Stattdessen bekomme ich zu hören: Du tust nichts dagegen, also steht dir nicht zu, eine Meinung dazu zu haben.

Ich bin mir sicher jeder und jede hat eine Meinung oder Haltung, gerade zu einem Thema wie dem Krieg in der Ukraine. Und es würde uns guttun, wenn wir uns das mal eingestehen. Zum Abschluss wieder ein Satz mit „ich“: So denke ich.

Dazu spielt: Anders


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