Wie oft habe ich mir schon gewünscht, dass sich Menschen einfach bei mir entschuldigen, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Sei es, dass sie mich im Eifer des Gefechts beleidigt haben, oder mich hängen lassen in einer Erwartung, die sie mir in Aussicht gestellt haben. Aber da kann ich in der Regel lange warten. In letzter Zeit habe ich sogar eine gegenteilige Entwicklung wahrgenommen. Menschen ziehen sich von mir zurück. Auf Nachfrage kommt dann höchstens eine All-Inklusive-Entschuldigung: Verzeih, dass ich kein guter Freund bin.

Entschuldigungen mit anschließendem Rückzug sind gar nicht so unüblich. Die sehen wir heutzutage recht regelmäßig in der Politik und sind häufig Vorreiter eines Amtsrücktritts: Ich gebe zu, dass ich alles falsch gemacht habe, und ziehe die Konsequenzen daraus. Und Tschüss!

Wo bleibt dabei die Möglichkeit, echte Verantwortung zu übernehmen und Dinge wirklich besser zu machen?! Stattdessen wird die nächste Galionsfigur – wie es mein früherer Vorgesetzter genannt hätte – an die Spitze des Schiffs gebunden, um gegebenenfalls als Sündenbock herzuhalten. Da muss dann nämlich nicht das ganze Schiff untergehen, sondern es reicht die Figur an der Spitze auszuwechseln. Der Schluss, das Schiff nach Löchern zu untersuchen und diese zu reparieren, liegt selten nahe, genauso wenig wie das rettende Ufer.

Ich persönlich kann mir ehrlich gesagt nicht leisten, Menschen ständig aus meinem Leben zu verbannen. Da bleiben dann irgendwann keine mehr übrig. Zweiter Punkt: ich mag meine Freunde und so einfach entkommen sie mir nicht. Hake ich also nach.

Na, wenn du dich entschuldigst, entschuldige ich mich auch. Auf solche Verhandlungen lasse ich mich leider nicht ein. Dann muss ich mir wohl eher eingestehen, dass die Freundschaft sich verändert hat und vielleicht nicht mehr das nötige Grundvertrauen vorhanden ist. Es gibt auch noch die „bittere Entschuldigung“. Jemand entschuldigt sich, meint es aber nicht so: Entschuldige, dass ich geboren wurde! Entschuldige für alles. Nachsatz: Bist du jetzt zufrieden? Auch diese Entschuldigung kann ich nicht ernst nehmen. Mir fallen noch Entschuldigungen von Menschen ein, die sich entschuldigen, weil sie denken, sie müssten sich entschuldigen. Ohne es selbst zu verstehen. Das bringt meiner Meinung nach auch nicht wirklich was. Eine Entschuldigung sollte ernst gemeint sein, mit einer Haltung dahinter. Es ist dann ein Gesprächsauftakt und nicht das Ende einer Unterhaltung.

Für mich ist die Beziehung und anschließende Freundschaft zu meinem Ex-Freund ein guter Lernprozess diesbezüglich. Wir hatten harte Kämpfe, aber haben auch gelernt, dass wir beide sensibel sind und nicht bis zum äußersten, um ein „Sorry“ kämpfen sollten. Manchmal braucht es einfach ein paar Momente, Minuten… vielleicht auch einen Tag Luft dazwischen, um wieder mit gutem Gefühl und aus freien Stücken auf den anderen zugehen zu können.

Schwieriger sind die Entschuldigungen, die längst überfällig sind, deren Schuld tief im eigenen Inneren vergraben sind. Da würde ein echtes Schuld-Eingeständnis und die Bitte um Verzeihung vielleicht den kompletten Zusammenbruch der eigenen Lebenslüge bedeuten. Denke ich zum Beispiel, wenn es um die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen geht.

Kommen wir aber noch zu der Frage, was wir mit denen machen, die bereit sind eine umfassende Entschuldigung abzulegen. Sind sie aus ihrer Verantwortung entbunden? Nein, sind sie nicht. Macht es die Sache wett, nein, natürlich nicht. Geschehenes kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber wir sollten diesen Menschen auch eine Chance geben, die Verantwortung zu übernehmen, die sie bisher nicht getragen haben.

Dazu spielt: Der Seemann und das Meer


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