Es gibt einen Film: „Happy Go Lucky“. Der war in den 2000ern in den Kinos und ist mir damals in Erinnerung geblieben, weil er irgendwie aus der Rolle fiel. Also, die Hauptdarstellerin fiel aus der Rolle. Die Eingangsszene war, dass ihr nach einem Besuch im Buchladen (oder so), das Fahrrad geklaut wurde. Anstatt wütend darüber zu werden, bedauerte sie, sich nicht von ihrem treuen Gefährt verabschieden zu können und war dankbar, für die Zeit, die sie es nutzen konnte.

Das ist sicher eine besondere Form der Dankbarkeit und erfordert Selbst-Reflektion: Nicht so sehr auf den Verlust zu schauen, sondern auf etwas, dass mensch hat oder hatte… In einer Gesellschaft, in der vieles selbstverständlich erscheint. Da schimpfen wir schon, wenn die S-Bahn auf der Strecke für ein paar Minuten hält, oder wir in der Schlange beim Supermarkt warten müssen.

Bei meiner Familie war und ist viel selbstverständlich. Selbstverständlich steht das Essen auf dem Tisch. Selbstverständlich ist immer von allem genug da. Selbstverständlich geben wir, teilen wir. Selbstverständlich sind wir füreinander da.

Erst als ich nach Berlin kam, und das ist ja schon zwei Jahrzehnte her, habe ich gelernt, dass das gar nicht selbstverständlich ist. Mit der Zeit habe ich als weitere Qualität angenommen und aufgenommen: Ich sage danke, wenn jemand für mich kocht, wenn jemand mich einlädt, wenn eine Person etwas für mich tut. Das muss gar nichts Großes sein… Eine kleine Geste, ein liebes Wort. Jemand denkt an mich und fragt nach. Für mich eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem kann ich mich dazu äußern und meine Wertschätzung darüber zeigen. Das tut mir und anderen gut.

Meine Mutter – eine sehr hingebungsvolle Person – foppe ich inzwischen gern damit, wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch bin: „Was Mama, wo bleibt der Tee?“ „Mama, warum ist das Essen für mich noch nicht aufgewärmt?“ Und fange es gleich darauf ein. Denn ich spüre große Dankbarkeit für diese Wurzeln, auch wenn nicht immer alles unbeschwert und einfach ist. Wie es ja auch der Film zeigt, den ich eingangs zitiert habe. Seht ihn euch mal an!

Spätestens, wenn wir einen Verlust erfahren haben, einen lieben Menschen verlieren, oder selbst vielleicht eine Krankheit überstanden haben, wissen wir, dass überhaupt nichts selbstverständlich ist. Es hat auch etwas Demut zu tun. – Ich ergebe mich dem Leben, ich weiß um die Endlichkeit, ich weiß, dass alles begrenzt ist.

In unserem Sprachgebrauch gibt es dem „Danke“ einiges Entgegenzusetzen (recht neuzeitlich aus meiner Sicht): „Nicht dafür!“ wird geantwortet. Aber wofür denn dann?! „You‘re welcome“, finde ich eine angenehme Wendung im Englischen. Was ein Annehmen einschließt.

Mag sein, dass es oberflächlich bleibt. Manchmal. Ja, ich könnte mich aufregen darüber, dass es nur eine Floskel, gar nicht ernst gemeint ist. Aber zum Glück kann ich mir Menschen aussuchen – jedenfalls ein ganzes Stück weit – die in meinem Leben eine Rolle spielen und stelle fest, dass ich mich gern mit denjenigen umgebe, die es verstanden haben. Dass zu der Selbstverständlichkeit des Füreinander-Daseins, die Kirsche auf der Sahne ist, es auszusprechen: Ich sehe dich, und ich danke dir, dass du da bist.

Die verbale negative Selbstverstärkung, wie wir sie momentan in Zeiten der Krise(n) scheinbar ohne Unterlass erfahren, funktioniert super. Genauso geht es andersherum: Wir können uns auch positiv (ver)stärken. Ich hoffe, das wird sich weiter rumsprechen.

Dazu spielt:


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