Als ich gestern auf dem Gehsteig radelte, fuhr mich eine ältere Dame an: Ich solle doch bitte die Straße benutzen! Leider hatte sie übersehen, dass ich einer Baustelle ausgewichen war, die sich wenige Meter zuvor auftat. Das soll aber nur eine falsche Fährte gewesen sein. Vielmehr hat es mich an eine Frage erinnert, auf die ich im Straßenverkehr immer wieder gestoßen werde und die mich nachhaltig beschäftigt. Es geht um das Verhalten erwachsener Menschen in Begleitung von Kindern an roten Ampeln, während ein weiterer Verkehrsteilnehmer oder eine weitere Verkehrsteilnehmerin die Straße überquert.

Auf Seiten der Erwachsenen, meistens den Erziehungsberechtigen, gibt es dabei Null-Toleranz, vertreten mit einer Vehemenz, die durchaus ihres Gleichen sucht. Zum Beispiel: Reaktion eines Vaters als ein Mann Kochannstraße, Ecke Petersburger eines frühen Abends bei Rot über die Straße geht: „Was ist denn das für eine Scheiße! Hallo!!“ Das Kind an seiner Hand schaut ganz verunsichert nach oben und fragt: „Was ist denn passiert?“ Eine andere Situation, die mich amüsiert hat, selbe Ecke aber andere Straßenseite an einem Freitag, früher Nachmittag: Eine Mutter steht mit ihrem Kind an der roten Ampel, als ich mit dem Fahrrad die Straße überquere. Da brüllt ein sichtlich angetrunkener Mann, der neben den beiden steht: „Stopp, das geht ja gar nicht! Siehst du nicht, hier steht ein Kind!“ Und prostet freundlich nickend mit der Bierflasche in Richtung Mutter und Kind.

Nun kann es sein, dass es insbesondere eine Berliner Unart, die rote Ampel als allgemeingültige Regel des Straßenverkehrs, öfter mal zu ignorieren. Allerdings vermute ich, es könnte sich um ein deutschlandweites Phänomen handeln in unterschiedlich starker Ausprägung im städtischen und ländlichen Raum. Und gehe davon aus, dass ein Kind mindestens ein-, wenn nicht mehrmals in seinem jungen Leben, eine solche Situation mitansehen muss. Daher plädiere ich für innovative Erklärungsansätze, die über ein: Das ist ein böser Mensch, deshalb tut er das. – hinausgehen. Zum Beispiel sich auf Augenhöhe mit dem Nachwuchs gesellen und ansetzen mit: Es ist der Tag gekommen, dir etwas Wichtiges zu sagen. Das Leben ist nicht so einfach wie du denkst. Es gibt zwar Regeln, ja. Aber nicht alle Menschen halten sich daran… Das wirst du lernen zu akzeptieren. Genauso wie du dich trotzdem an diese Regeln halten wirst, mindestens bist du 18 Jahre alt bist!

Ich habe verschiedene Strategien an mir festgestellt, meine Rolle im Rote-Ampel-Kreislauf zu gestalten, unter der Prämisse die Straße ist frei, natürlich. Meistens, wenn Kinder in Begleitung von Erwachsenen unterwegs sind, bleibe ich stehen. Außer, das Kind schläft im Kindersitz/-wagen, oder das Kind guckt gerade weg, oder mir wird insgesamt nicht so viel Beachtung geschenkt. Außer, ich denke, warum soll ich aus Prinzip warten, nur weil ein Kind an der Ampel in Begleitung einer erwachsenen Person steht. Dann versuche ich Blickkontakt zu meiden und nehme die mögliche Beschimpfung als Strafe hin. Wenn Kinder allein unterwegs sind an einer Roten Ampel, habe ich quasi stellvertretend die Erwachsenen-Karte. Und eine muss ja mit gutem Beispiel vorangehen. Pardon, stehenbleiben.


Und dazu spielt:


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