Ich kann mich nicht erinnern, dass ich als Kind mal Hausarrest bekommen habe. Ich weiß nur von einem Mal, als meine Eltern mich abends in der Ecke stehen ließen, weil ich und mein Übernachtungsbesuch nicht einschlafen wollten, stattdessen quatschten und kicherten wir. Und wir kicherten weiter, jede von uns in ihrer Ecke. Die Erziehungsmaßnahme war missglückt.

Jetzt wird immer mehr Menschen Hausarrest aufgebrummt. Flugzeuge dürfen nicht mehr einreisen, Schulen und Kitas werden geschlossen, Betriebe fahren ihr geschäftiges Treiben herunter, um nur einige Beispiele zu nennen. Es ist vor allem eine Vorsorge-/Vorsichtsmaßnahme, um das gesundheitliche System nicht zu überlasten. Gleichzeitig kommt das wirtschaftliche System an seine Grenzen, weil es an ein unermüdliches Rad gebunden ist, das immer in Bewegung ist. Und wir sind es gewohnt, Teil dieses unermüdlichen Kreislaufs zu sein. Auch ich tue mich schwer mit der verordneten Entschleunigung. Ich habe nicht nur Angst um mich, sondern Angst, wie andere Menschen damit umgehen, wie dieses fragile System damit umgehen kann, ohne daran zu scheitern. Doch ich sehe auch, es ist nur ein Symptom einer größeren Krankheit, die da heißt, zu viel, zu schnell auf einmal. Es ist ein deutlicher Hilferuf, eine unbequeme Lehrstunde.

Noch letzte Woche saß ich bei einer Freundin in der Küche. Sie muss durch eine Krankheit eine längere Therapie auf sich nehmen und hat mich an meine Worte erinnert, die ich ihr verabreichte, als sie mir von ihrer Diagnose berichtete. Damals sagte ich ihr: Es ist eine neue Herausforderung, du sollst entschleunigen, du sollst zur Ruhe kommen, Kraft schöpfen und sehen, dass Leben auch noch mehr zu bieten hat, abseits der alltäglichen Wege und Routinen, des Funktionieren-Müssens. Auf die aufkeimenden Nachrichten und Befürchtungen zum Corona-Virus sagte sie mir bei unserem letzten Treffen: Sollen doch alle mal zwei Wochen Pause machen, es wird ihnen gut tun. Sie hatte sich an ihre neue Situation gewöhnt und begann sie anzunehmen und zu schätzen. Sie hat einen Vorsprung.

Mit Blick auf die minütliche Nachrichten-Dichte fällt mir auf: Ein achtsameres Verhalten, dass wir uns lange vorgenommen haben, ist nicht nur möglich, es wird sogar verordnet, und wir halten uns daran. Wir haben keine Wahl. Vielleicht ist die aktuelle Situation dann auch eine Chance Strukturen zu hinterfragen, zu überdenken – für ein bewussteres Leben, für mehr Wertschätzung, für das was da ist, für mehr Achtsamkeit uns und unserer Umwelt gegenüber.

Meinen ersten Hausarrest nehme ich also an. Trotz der pädagogisch fragwürdigen Art, höre ich mit dem Meckern auf und sehe es als Hoffnung zum Umdenken und anders gestalten können im Kleinen wie im Großen.

Und der Astronaut singt sein Lied dazu:


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