„Ich brauche etwas Zeit, um das zu verarbeiten.“ Antwortet mein liebster Freund auf unserem Spaziergang vor einigen Tagen. Damit schlug er mich mit meinen eigenen Waffen. Hatte ich mich doch gerade über Mitmenschen beschwert, denen ich klar sage, dass bestimmte – sehr unerwartete – Nachrichten erstmal durch meinen Körper, in den Kopf, durch die Gedankengänge krauchen müssen und wieder zurück, bis sie irgendwann ihren Platz gefunden haben.

„Ok.“ Antwortete ich also geduldig und hörte auf, weiter auf ihn einzureden, ihm zu erklären, dass ich denke, dass wir bald das Ende der Pandemie einläuten könnten, müssten.

Seit einiger Zeit kommen sie mir immer absurder vor, diese sogenannten Regeln. Die Nachricht, dass der Genesenen-Status für alle auf drei Monate heruntergesetzt wurde, nur im Bundestag aufgrund bürokratischer Erklärungen weiterhin sechs Monate gilt, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Schwachsinn der Woche, lautet meine persönliche Überschrift. Dass mensch mit Booster-Impfung, von der Testpflicht befreit ist, obwohl die aktuell beliebteste Corona-Variante davor gar nicht schützt… gefolgt von Nachrichten, dass Schnell-Tests nicht sicher sind, aber zukünftig keine PCR-Tests mehr für alle zur Verfügung stehen… Wirken wie Zeichen der Selbstkapitulation.

Überhaupt scheint das Virus salonfähig geworden zu sein – Menschen posten vermehrt und fast stolz Fotos von ihren positiven Testergebnissen in den sozialen Medien, und zeugen davon, dass der Unterhaltungswert steigt, bei gleichzeitiger Abnahme der Gefahr…

Behaupte ich: Denn ich kann einfach nicht mehr schwarzmalen. Mein Schwarz ist aus! Ich habe nur noch einen Tuschkasten voller schillernder Farben übrig. Spüre, wie sich eine Erleichterung einstellt… Wie ganz klar die Hoffnung wächst, dass die Maßnahmen, die sich ohnehin zunehmend selbst torpedieren, bald ein Ende finden werden, um einem lebendigen Miteinander wieder Raum zum Atmen zu geben. Ebenso hoffe ich, dass andere Menschen beginnen, in Richtung Licht am Horizont zu schauen.

Dass alles Zeit braucht, weiß ich selbst. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und hat er sich erstmal einem Regelwerk unterworfen, oder es für sich entdeckt, dann wird eben damit gearbeitet, bis es sich selbst überholt hat. Seit den inzwischen zwei Jahren Pandemie-Geschehen ist zudem der Glaube verschütt gegangen, dass sich Dinge zum Guten wenden können (Wie im Grunde Omikron gezeigt hat, dass anfangs als besonders gefährdend verschrien war und nun als zwar leicht übertragbar aber wesentlich weniger aggressiv gilt). Wir tun uns leichter damit, alles zu verdammen. Und wähnen uns in Sicherheit vor einer positiven Entwicklung, die sich dann vielleicht doch nicht erfüllt.

Was mich außerdem schmerzt, ist, wie sehr sich Berichterstattungen und Meinungsäußerungen im Umgang mit Menschen, die nicht geimpft sind, eingeschossen haben. Alle Menschen, denen ich begegnet sind, die (noch) nicht geimpft sind, kommen mir weder dumm noch unsolidarisch vor. Es sind ganz normale Menschen mit ganz alltäglichen Ängsten und Sorgen.

Auch da spüre ich einen Wunsch, ihnen Raum zu geben, sie nicht weiter an die Wand zu drängen. Den Druck rauszunehmen. Denn wir brauchen einander. Ich hoffe mal, dass das auch Zeit braucht… Und wir – wenn wir nach und nach die Erleichterung am eigenen Leib spüren – wieder mit offenen Armen aufeinander zugehen werden.

Dazu spielt: Am Kap der Hoffnung (auf Spotify)


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