„Es ist schon bewundernswert, wie stoisch du deinen Weg gehst mit der Musik.“ Sagte eine Bekannte zu mir, die ich traf vor wenigen Tagen, als ich unterwegs war im Lichtenberger Wönnich-Kiez mit Tapetenkleister und meinen Konzertankündigungen unterm Arm. Das war sowieso ein schöner Abend, denn ich hatte noch weitere angenehme zufällige Begegnungen. Zu den anderen Klebe-Ausflügen hatte ich immer Unterstützung von Freunden, das war eine nette Kombination aus dem Notwendigen – oder dem, was ich mir ohnehin vorgenommen hatte – und einem gemeinsamen Spaziergang.

„Stoisch“ klingt nicht wie ein Kompliment, im ersten Moment, aber ich wusste was sie meinte und im Grunde trifft es das genau: Immer geradeaus, immer nach vorn, unbeirrt. Allerdings überhaupt nicht frei von emotionalen Schwankungen, wie es das Wort nahelegt. Nur lasse ich diese Gefühle nicht meinen Weg beherrschen, sondern sie begleiten mich.

Vielleicht fällt es mehr auf, dass ich kontinuierlich meinen Weg gehe, weil diese Schritte ganz selbstbestimmt sind. Meine Bekannte hat sich doch auch entwickelt: Sie hat eine Familie gegründet, ist sehr engagiert in ihrem Job als Lehrerin. In ihrem Fall ergeben sich ihr Einsatz und ihr Engagement innerhalb von bestimmen Strukturen. Ich überlege selbst, muss überlegen, freue mich inzwischen überlegen zu dürfen, wie es weiter geht für mich. Das ist ein innerer Prozess, der nach außen hin, aus meiner Wahrnehmung, oft nicht sonderlich groß erscheint. Es freut mich dann umso mehr zu hören, dass es sehr wohl eine Außenwirkung hat.

Ich bin anscheinend das, was man eine Macherin nennt. Ich bin gern aktiv. Diese Art Fleiß ist vermutlich hausgemacht und liegt in der Familie. Meine Mutter, also, die Version meiner Mutter aus meiner Kindheit, war extrem ehrgeizig. Und meinen Vater erinnere ich als einen Menschen, der aktiv, vielseitig interessiert war und nach wie vor ist. Da gibt es immer was zu werkeln, zu verbessern, zu erneuern, zu verändern – beruflich wie privat. Verbunden mit einer Neugier. Diese Kombination hat mir beispielsweise geholfen ein Studium durchzuziehen, obwohl ich anfangs im Grunde keine Ahnung hatte, was ich tat, zwischendrin wenig motiviert war und erst zum Schluss einen echten Zugang dazu bekommen hatte. Ich bin froh darüber, nicht abgebrochen zu haben, denn ich sehe, mit welchen Problemen sich Menschen rumschlagen, die nicht eine solche Formalität wie einen Abschluss vorweisen können.

Vor dem Hintergrund, und auch mit entsprechender Berufserfahrung, habe ich mich irgendwann für den Weg als freischaffende Musikerin entschieden. Die Strukturen wurden mir zu eng, das Gefühl zu groß, irgendwie eingesperrt zu sein, nicht sagen zu dürfen, was ich dachte. Ich wollte und möchte mich Ganz fühlen in meinem Leben. So macht mir das Machen am meisten Spaß. Machen ist Leben, Leben ist Miteinander auf Augenhöhe.

Das Machen geht bei mir mit einem großen Verantwortungsbewusstsein einher. Wenn ich eine Aufgabe bekomme, dann erledige ich sie. Schreibblockaden kenne ich nicht, auch wenn ich durchaus gern prokrastiniere. Ich habe meine Termine stets im Blick, in jedem meiner Zimmer gibt es eine Uhr, damit ich die Zeit nicht aus den Augen verliere. Das gibt mir Sicherheit, eine Orientierung. Das mit dem Verantwortungsgefühl war auch ein Grund, warum ich aus den gängigen Strukturen raus bin, weil ich die mir übertragene Verantwortung an andere weitergebe. Das ist nicht immer zielführend.

In zwischenmenschlichen Beziehungen fühlt sich das ähnlich an. Ich motiviere meine Mitmenschen, ihr Ding zu machen, und manchmal tendiere ich dazu, Verantwortung für sie zu übernehmen, obwohl das ihre persönlichen Grenzen übersteigen kann. Inzwischen bin ich besser geworden, das zu verbalisieren und nehme mich zudem auch mal zurück.

Was ich dennoch schade finde – das können wir vor allem auf den größeren Bühnen sehen: Die, die Machen, bieten Angriffsfläche, weil sie sich zeigen und dadurch fehlbar werden. Dabei ist Nicht-Machen auch eine Art des Machens: Es kann ein Unterlassen sein. Das wird leider von vielen nicht als solches wahrgenommen und selten thematisiert. Also dann doch lieber machen und bereit sein, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.

Dazu spielt: Eine Song-Zusammenstellung aus dem Band-Proberaum in Vorbereitung für das Konzert am 24.06. :-)


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