Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie das damals war, als Kind. An ein „Psst“ oder „Schhhh!“ mit dem Zeigefinger an die Lippen gepresst – wann immer ich den Mund aufmachte, mich äußern wollte, in angeblich unpassenden Momenten. Wenn Erwachsene redeten. Dabei wurde mir nicht mal suggeriert, dass meine Meinung nicht wichtig wäre, sondern schlichtweg unerwünscht und in der Regel unangemessen. Ein Obrigkeitsdenken unter dem ich mich unterzuordnen hatte. Das wurde mir von meinen Eltern mitgegeben und hatte sicher auch mit dem gesellschaftlichen und politischen System der DDR zu tun, in dem ein Teil meiner Kindheit stattfand. Heute denke ich oft, dass das meinen Sinn für Meinungen gestärkt und auch den Wunsch ins Unermessliche gesteigert hat, die eigene Stimme zum Ausdruck zu bringen und mich hierherführt.

Das war allerdings ein langer Weg. Oft habe ich mich schlecht oder schuldig gefühlt, mich so zu äußern, wie es nun mal aus mir rauskam. Ich hatte Angst dadurch andere Menschen zu verprellen oder zu verletzen. Und ich hatte Angst vor der Reaktion anderer auf meine Worte. So als ob Worte eine Waffe wären.

Erst vor kurzem ist mir klar geworden, dass dem ganz anders ist. Worte sind eine Möglichkeit, mich auszudrücken mit meinen Gedanken. Nicht mehr und nicht weniger. Nicht aus Frust oder Wut, nicht vorsätzlich verletzend, wie es mir teilweise unterstellt wurde und auch noch wird. Im Gegenteil. Damit es nicht zu einem Wut-Berg wachsen kann, ist es wichtig, Themen gleich anzusprechen. Worte sind eine Möglichkeit, sich mit anderen zu auszutauschen, ins Gespräch zu kommen – eine Anregung, die eigene Perspektive zu prüfen und zu erweitern.

Ich habe auch verstanden, das andere sich ebenso ausdrücken wollen, unvollkommen menschlich. Selbst wenn mir jemand einen Rat gibt, eine Meinung gegenüber meinen Fragen oder Themen äußert, ist es immer aus seiner oder ihrer eigenen Weltsicht heraus. Ich muss mich nicht angegriffen fühlen. Denn dieser Mensch spricht in erster Linie von sich selbst.

Seitdem bin ich wieder viel diskutierfreudiger geworden, sogar bei Themen, an denen sich momentan viele so gern und häufig reiben. Da geraten ja schnell Weltanschauungen aneinander und Worte scheinen wieder als Waffe, mindestens als Schutzschild, gegenüber gestellt zu werden. Vielleicht aus einer Angst heraus, dass uns die fremden Worte zu sehr durchdringen können. Wir haben Sorge, dass uns die Meinung anderer ins Schwanken bringt und unser Weltbild – in Zeiten von Globalisierung unübersichtlich geworden und nur fragil zusammengeschustert – auseinanderbrechen könnte.

Ansonsten sehe ich keinen Grund auf Äußerungen und Meinungen anderer rumzuhacken. Sie auseinanderzunehmen und darauf einzureden, bis sie am Boden liegen und sich ergeben. Ich finde, wir müssen lernen, andere Meinungen auszuhalten. Und streitbar werden. Wenn wir weiterhin alles versuchen auszugrenzen, was wir nicht verstehen oder uns verunsichert, dann wird sich Misstrauen verstärken und vermehren. Weil wir gar nicht mehr wissen, welche Meinung noch echt ist. Andere Meinungen verschwinden ja nicht einfach, nur weil sie unerwünscht sind. Ich denke außerdem, dass es den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken kann, wenn wir uns trotz unserer unterschiedlichen Ansichten, nicht aus den Augen verlieren. Denn für die aktuellen Herausforderungen der Weltgesellschaft werden wir ohnehin an irgendeinem Punkt zusammen stehen müssen.


Dazu spielt:


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