Wie soll denn ein Sportstudio in einen kleinen Hinterhof passen? Außerdem sehe ich vom U-Bahnhof Gleisdreieck in dieser Richtung nur knall-gelbe DHL-Transporter. Nach einigem Hin- und Her-Gerenne an der Gabelung Luckenwalder und Schöneberger Straße, erlange ich schließlich das Tempelhofer Ufer und sehe nach weiteren Schritten ein Schild mit der Aufschrift: X-Step.

Die Einstiegs-Frage müsste aber eigentlich lauten: Wieso habe ich mich darauf eingelassen, in ein Sportstudio zu gehen? Bis dato war ich beim Sport am liebsten allein. Zog meine Bahnen in der Schwimmhalle, ab und zu hatte ich es auch mit Laufen versucht. Dabei muss ich auf niemanden Rücksicht nehmen, keine sozialen Regeln einhalten – nicht grüßen oder freundlich gucken. Außerdem sind mir „neumodische“ Sportarten und das Schaulaufen, wie ich es mir in den Studios vorstelle, suspekt.

In diesem Fall war es eine Freundin, die ich auf ihren Wunsch hin, zu einer Zumba-Stunde begleitet habe. Nicht in ein Sportstudio, sondern eine Turnhalle in meinem Kiez. Und das fand ich überraschenderweise richtig cool: Frau, langsam zu alt für Diskos, nichtsdestotrotz veranlagt mit übermäßigem Schüttel-Drang sieht einen nicht-peinlichen Weg, diesem zu frönen. Trifft auf: Ganz normale Leute – also Frauen, inklusive Quoten-Mann – die das da tun. On Top: Ebenso unprätentiöse Trainerin, die es schafft, ein nicht-peinliches Event zu kreieren.

Die hölzernen Stufen quietschen und nach 5 Treppen-Geschossen denke ich: Das war wohl das Warm-Up. Ich stehe schnaufend am Tresen für die Anmeldung. Und bin froh, dass es recht unsportlich aussieht. Mehrere Räume deuten sich an auf der Fabriketage, insgesamt wirkt es nicht so ausladend und kühl, wie ich das von wenigen Einblicken in andere Studios kenne. Keine nackten, gestählten Oberkörper, die aufreizend hin und her laufen, sondern einfach: Menschen.

Diese Rechnung geht schon lange auf, genau genommen 25 Jahre. Neben den zwei Herren, die das X-Step betreiben, ist Jenny, besagte Zumba-Trainerin, dort seit 10 Jahren eine treibende Kraft. Ich nehme wahr, dass sie nicht nur mein Dreh-und-Angel-Punkt ist. Sie nimmt sich Zeit, spricht mit den Gästen, die dort regelmäßig schwitzen. Als Teil einer Gemeinschaft, der ich zunächst als Zaungast zuschaue.

Das muss zweieinhalb Jahre her sein. Via Zoom hat X-Step auch durch die Zeit des Lockdowns navigiert. Nach Zumba habe ich inzwischen mit Pilates angefangen. Angebote wie diese, haben meinem Tagesablauf Halt gegeben und mich in der Zeit der Pandemie – im wahrsten Sinne des Wortes – aufgerichtet.

Seit Sommer finden nun wieder Präsenz-Kurse statt. Ich habe entschieden, das Treppen-Warm-up wegzulassen und den Fahrstuhl zu nutzen. Beobachte, wie – zaghaft – die Sportwilligen die Räume für die Kurse betreten. Und stelle mir vor, dass es eine große Herausforderung war und ist, am Ball zu bleiben. Denn um solche Räume und entsprechendes Personal zu finanzieren, braucht es einen starken Willen und Geld, momentan außerdem Zuversicht und Geduld.

Heute, wenige Monate später, spüre ich und sehe mehr Offenheit, mehr Mut, sich wieder einzulassen. Lust sich zu bewegen, gemeinsam mit anderen Menschen. Auch die Fröhlichkeit und Leichtigkeit kehrt zurück, denke ich, als ich mir den Schweiß vom Körper wische. Zwischen den Kursen: Gespräche in den Räumen, zwischen Tür und Angel im Flur. Und dann trödelt die eine oder der andere doch, obwohl sie oder er eigentlich schon längst beim nächsten Termin sein sollte. Die Gemeinschaft wächst wieder, und ich bin etwas stolz auf mich, dass mir das freundlich sein nicht mehr schwer fällt und auch das auf die anderen zugehen.

Gerade ist ja die Rede davon, dass jeder in seiner Bubble ist und da nicht rauskommt. Verbunden mit der Frage, wie wir übergreifende Gemeinsamkeiten herstellen können, eine neue Art Gemeinschaft entstehen kann. Das X-Step ist ein gutes Beispiel für einen solchen verbindenden Raum. Hier treffen Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen, aus total unterschiedlichen Zusammenhängen aufeinander. Hier können sie voneinander lernen und Toleranz erfahren.

So wie ich. Next Level: Pole Dance.

PS: In meinem aktuellen Musikvideo wird “gezumbat” – Danke Jenny sowie Melanie, Lilly, Susann und Emma:


… aber, oder, und… – Schreib mir gern deine Gedanken und Erfahrungen: info@janaberwig.de