In der vierten Klasse bekamen wir die Aufgabe, ein Bild zu malen zum Thema: Zukünftige Berufswahl. Ich kann mich erinnern, dass mir nicht sonderlich viel dazu einfiel. Die Welt der Erwachsenen erschien mir weder attraktiv noch greifbar. Sie betraf mich nicht. Kein Grund zur Verzweiflung, denn mir kam das Lied in den Sinn: „Grün ja grün sind alle meine Kleider“. In der letzten Strophe werden darin Kleider beschrieben, die bunt sind, weil der Schatz (also Partner) ein Maler ist. Damit konnte ich etwas anfangen, denn ich malte gern. Also malte ich eine Figur mit lustiger französischer Mütze, in einem weißen Kittel mit einer großen Mischpalette in der einen, und einem Pinsel in der anderen Hand. Sie stand vor einem Stativ mit Leinwand darauf, auf der ich mit bunten Farben eine Malerei andeutete. (Auch wenn ich inzwischen vermute, dass es in dem Lied eher um den sehr praktischen Beruf des Malers geht, und nicht den künstlerischen…)

Lange änderte sich nichts an meiner fehlenden beruflichen Zukunftsvision. Auch im Teenager-Alter hatte ich Mühe, mir einen Beruf vorzustellen, der meiner Lebenswirklichkeit irgendwie entsprechen konnte. Dass es bei derlei Überlegungen in der Regel gar nicht darum ging, was mir Freude machte, wollte einfach nicht in meinen Kopf. ‘Träumerin’ konnte sich leider damals wie heute nicht als Ausbildungsberuf durchsetzen. Das hätte mein Leben sehr erleichtert.

Nachdem ich mich nach dem Abitur – recht kurzentschlossen – durch einige Semester Soziologie an der Humboldt Universität in Berlin geschlagen hatte, und wegen einer Thrombose im Krankenhaus lag, trat der Oberarzt an mein Bett und fragte mich, was ich nach dem Studium machen werde. Ich zuckte nur mit den Schultern, was für ihn ein eindeutiges Zeichen war: Die junge Frau ist depressiv! Er schickte mir eine Psychologin ins Zimmer (… könnte der Anfang eines Horrorstreifens sein, aber zum Glück lasse ich mich nicht so leicht unterkriegen…).

Auf die Frage: Wie stellen sie sich Ihr Leben in 5 oder 10 Jahren vor? weiß ich bis heute keine Antwort. Aber immerhin werde ich besser darin, mir die nächsten Monate vorzustellen. Und aus der Retrospektive kann ich inzwischen einen ungefähren Erfahrungswert angeben, wie mein Leben wahrscheinlich zukünftig verlaufen könnte. Meine Ansprüche das Leben mit allzu konkreten Zielen zu dominieren sind einfach unterentwickelt. Dafür habe ich die recht ausgeprägte Eigenschaft, in Träumereien und Wünsche zu verfallen. Was seit einigen Jahren immerhin teilweise in meiner kreativen Arbeit einen Hafen findet.

Einen weiteren großen Teil meiner Träumerei-Energie habe ich inzwischen gut mit meiner Lebenswirklichkeit aussöhnen können, wie ich letztens beim Besuch meiner Eltern bemerkt habe. Schnell wurde ich in der allzu ruhigen Heimat unruhig, habe es kaum ein oder zwei Tage lang ausgehalten, weil ich dachte, dass ich in Berlin etwas verpassen könnte. Ich war zwar körperlich anwesend, aber in Gedanken bei den aufregenden, viel tolleren Begegnungen und Erfahrungen, die ich andernorts gerade verpasste.

Das letzte Mal war es anders: Ich war dort, wo ich war.

Passend zum Thema habe ich eine Aufnahme wiederentdeckt von meinem Song „To be where you are“, aufgenommen zur Record Release Party vom gleichnamigen Album, bei der meine liebe Freundin und Kollegin Lena Lehmann mich am Piano hat. Viel Spaß damit!


… aber, oder, und… – Schreib mir gern deine Gedanken und Erfahrungen: info@janaberwig.de