Letzten Samstag habe ich mich auf den Weg gemacht, zu einem Weinladen im Kiez. Eigentlich bin ich zunächst um diesen Laden herumgeschlichen, habe kleine Umwege eingebaut und den Schritt verlangsamt zu meinem Zielort. Musste mich fokussieren, um nicht doch auf einen beliebigen Supermarkt auszuweichen, in dem ich anonym ins Regal greifen hätte können. Nein. Ich wollte unbedingt den lokalen Einzelhandel unterstützen. Koste es was es wolle! In diesem Fall zunächst Überwindung… mich als Nicht-Kennerin zu outen. Dabei wäre es ja nicht das erste Mal.

Schließlich bin ich wagemutig zur Holztür reinmarschiert, auf alles gefasst. Auch darauf, einem Mann mein fehlendes Fachwissen über alkoholische Getränke zu offenbaren… In dem Moment wurde ich von einer Frau freundlich begrüßt. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Ich habe mich sofort sicher und angenommen gefühlt. Total banal. Aber so ist es.

Beim Bezahlen habe ich ihr meine Gedanken mitgeteilt. Ich sagte, dass ich erleichtert wäre, auf sie getroffen zu sein. Es mir viel schwerer fallen würde, mich authentisch durch die hölzernen Regale führen zu lassen. Und wirklich alle meine Nachfragen zu stellen, ohne in Verdacht zu geraten, alkoholische Getränke nicht so sehr nach Geschmack, sondern mehr nach Farbe des Etiketts auszuwählen… wenn ich von einem Mann empfangen worden wäre. Sie bestätigte mich insofern, als sie mir erzählte, dass sie in einem anderen Weinladen, solche Erfahrungen mit einem männlichen Mitarbeiter gemacht hätte. Im Beratungsgespräch richtete sich dieser nur an ihren Partner und blendete sie aus. Selbst nach dem Hinweis, dass sie für Weine in der Beziehung Ansprechpartnerin sei, ignorierte er sie. Deshalb würde sie nach Möglichkeit vermeiden, in diesen Laden zu gehen, wenn er dort ist, sagte sie weiter.

Ein paar Umdrehungen hat mein Gehirn dann noch gemacht. Neben den großen Bildern und Kontexten wie Benachteiligungen entstehen und was sie verstärkt, war es die Frage nach meinen eigenen Vorannahmen. Mich wohler mit einer weiblichen Mitarbeiterin zu fühlen, weil ich ihr Empathie unterstelle. Ein Mann wäre auch okay gewesen, nur unbequemer für mich. Ihm hätte ich Arroganz unterstellt. Es wäre anders.

Und ich denke, warum müssen wir immer so viele Hemmschwellen überwinden und wann kommen die Steigbügel? Da können wir wohl lange warten… Heißt also, uns selbst ermächtigen. In Geschäfte reinmarschieren und sich überraschen lassen. Warum nicht auch von einem verständigen und empathischen Mann? Den Mund aufmachen, wenn frau sich blöd behandelt oder nicht ernstgenommen fühlt. Größe zeigen. Bis auch Männer, die auf einem Thron sitzen, beginnen sich und ihre Rolle zu hinterfragen.

Gut, dass es inzwischen Raum gibt, darüber zu sprechen. Auch wenn mir dieses ganze (über)reflektieren und (über)interpretieren, manchmal echt auf den Zünder geht. Freue ich mich erleben zu dürfen, dass ich feinsinniger werde in der Wahrnehmung und Situationen anders begegnen kann.


Dazu spielt:


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