Wenn mir jemand sagt, er oder sie hätte keine Zeit, dann glaube ich das nicht. Es heißt für mich, diese Menschen nehmen sich keine Zeit – sei es für mich mit meinem Anliegen oder für eine bestimmte Sache, die anzugehen wäre. Sie haben andere Prioritäten, es ist ihnen nicht wichtig genug. Und vielleicht fungiert „keine Zeit“ das ein oder andere Mal auch als Schutzschild, um sich nicht mit bestimmten Themen auseinandersetzen zu müssen. Menschen, die wirklich denken, sie hätten keine Zeit, tun mir leid. Wobei wir Zeit ohnehin nicht besitzen. Sie ist einfach da, sie kennt keine Eile. Und wir können unser Leben darin gestalten.

Das ist natürlich leicht gesagt. Oft wollen wir die Zeit nutzen, einem Effizienzprinzip ausliefern, weil wir wissen, dass unser Leben begrenzt ist. In der Regel sind wir in vielfältigen Routinen und Strukturen eingebunden, die uns dieses Gefühl des sinnvollen Nutzens vermitteln können. Was passiert, wenn wir mal aussteigen, und die Zeit ganz blank vor uns liegt?

Vor ein paar Tagen war ich im Krankenhaus, um meinen Opa zu besuchen. Nach einer OP und in seinen 90ern hat er erstmal schwer damit zu kämpfen. Also, vielleicht kämpft er gar nicht, der Körper braucht nur Zeit, unglaublich viel Zeit, sich zu regenerieren. Weil sein Gebiss auf dem Bettschränkchen im Glas lag, habe nicht so gut verstanden, was er mir mitteilen wollte. Und was sollte ich groß sagen? Also habe ich begonnen da zu sein. Ich habe aufgehört, darüber nachzudenken, wie ich mich, ihn, uns unterhalten kann. Aufgehört, die Minuten zu zählen, die mein Besuch dauern sollte, um als guter Besuch verbucht zu werden. Ich habe einfach auf seiner Bettkante gesessen. Sein Bettnachbar fing irgendwann ein Gespräch mit mir an, und mein Opa hat zwischendurch immer mal was gemurmelt. Ich begann wahrzunehmen, dass meine Anwesenheit Opa ein Stück von Zuhause vermittelt hat. Und ihm das gut tat. Und mir ist wieder bewusst geworden, dass das Dasein wohl das größte Geschenk ist, was wir uns und anderen in dieser Zeit geben können, die so auf das Funktionieren ausgerichtet ist.

Mir fällt dazu ein Buch von Anselm Grün ein, das in meinem Bad als Klo-Lektüre liegt. Ein Relikt aus meinem früheren Leben, das mich beim ein oder anderen Gang abholt. Da würde als Schlusswort in etwa sowas stehen: Ich wünsche dir, dass du dir Zeit nimmst, für dich, für Menschen oder Dinge, die dir wichtig sind. Dass du keine Angst hast, etwas erreichen zu müssen, sondern weißt, dass du Erfüllung findest, indem du dir Zeit nimmst.


Und es spielt:


… aber, oder, und… – Schreib mir gern deine Gedanken und Erfahrungen: info@janaberwig.de