Das große Glück, darauf kannst du lange warten. Das gibt es nicht, referierte die Malerin Armgard Röhl, bei deren Finissage ich letzten Freitag meine Lieder gespielt hatte. Es seien immer die Momente, die da wären, die Glück bedeuten, sprach sie weiter. Sie, Ende 70, sollte, nein, musste es doch wissen, nachdem ein ganzes Leben mit dessen Erfahrungen bereits von ihr gelebt worden war.

Ich war sehr dankbar für ihre Worte, denn sie holten mich ab in meiner emotionalen Situation. Als eine, die seit Kindertagen nur das große unbestimmte im Blick hatte, wie das Ende eines Märchens, habe ich seit meiner Liedermacher-Karriere daran gearbeitet, das kleine in den Fokus zu nehmen. Ein durchaus sehr schmerzhafter Prozess. Alles, was Jahre- und Jahrzehntelang in mich gedrungen, wovon ich durchdrungen war, loszulassen, fühlt sich an wie die eigene Haut abzuziehen. Es braucht Zeit und Geduld, um zu heilen und dann wieder zu wachsen.

Es stellt in Frage, worauf ich meine Lebensidee aufgebaut habe: beruflicher, wirtschaftlicher Erfolg, die große Liebe finden und leben, vorbehaltlose gesellschaftliche Anerkennung zu erfahren. Inzwischen stelle ich fest, nichts davon trifft auf mich zu. Und ich muss mir eingestehen: Ich habe das große Glück enttäuscht.

Aber anscheinend war das nur ein Missverständnis, klingt mir das Gesagte der Malerin nach. Menschen erinnern sich an das kleine Glück, erst in verletzlichen Zeiten – wenn sie krank werden, wenn eine Beziehung zerbricht oder sie feststellen, dass sie keine Zuwendung bekommen von nahestehenden Menschen, weil sie in ihrem Eifer nach einer großen gesellschaftlichen Anerkennung durch beruflichen Erfolg beispielsweise, die Verbindung zu ihnen verloren haben.

Ich bin gesund, ich führe eine immer bessere Beziehung zu mir selbst, habe viele Menschen in meinem Leben, die mir Trost und Verständnis bieten, mit denen ich Lachen kann und eine gute Zeit habe. Mit dem Geld verdienen, das ist nicht meine Stärke, aber daran arbeite ich! Meine Hauptwährung bleibt: Liebe, Musik und Zuwendung.

Was habe ich also verpasst: Nichts. Mir fehlt nichts. Darauf musste ich erstmal kommen! Ich kann mich noch an den Satz erinnern, den mein erster Freund nach unserer Trennung zu mir sagte, als er seine spätere Frau kennengelernt hatte: Du hast doch gar keine echten Probleme! (Im Gegensatz zu seiner Angebeteten). Ich war lange über diesen Ausspruch entrüstet, heute würde ich sagen, dass er vielleicht Recht hatte. Nur wusste ich damals noch nichts vom kleinen Glück.

Und selbst wenn ich hier und da vom kleinen Glück zu hören begann, so mussten viele Jahre vergehen, bis ich es wieder traf und mich anscheinend auf den Weg machte es zu fühlen. Denn: Etwas zu wissen heißt noch lange nicht, dass ich es empfinden kann.

Wenn mich jemand fragen würde, wie lange braucht es, dem kleinen Glück zu begegnen, dann würde ich sagen: Wenn du dich heute auf den Weg machst, dann rechne mit etwa 10 Jahren, dann bist du aus dem Gröbsten raus. Stell dich darauf ein, dass es hart wird und du manchmal denkst, das bringt alles nichts. Du wirst verzweifelt sein und zweifeln. Aber nimm das nicht so persönlich, es wird dir als Lebenserfahrung gutgeschrieben. Und du wirst immer wieder auch ein Licht sehen, weit entfernt. Dieses einfache, kleine Glück. Bei mir war das im letzten Jahr, als ich zu spüren begann, wie eine ganz neue Erfahrung in mich eindrang, die sich von Grund auf gut anfühlte. Und ich dachte schon, dass das alles wäre, aber nein, da gibt es noch mehr, wie ich seit einigen Wochen wahrnehme. Ich fühle mich wirklich wohl mit mir in meinem Alltag, also im Rahmen meiner Möglichkeiten. Und fühle oft, dass ich gesegnet bin, sein zu dürfen. Das macht es mir inzwischen auch möglich, mich Situationen zu stellen, denen ich mich früher entzogen hätte. Seien es Konflikte, oder die Ablehnung von neuen Erfahrungen, die außerhalb meiner Komfortblase liegen. Ich bin bereit mich einzubringen und einzulassen.

Dazu spielt: Im Freibad (schon als Vorgeschmack auf mein neues Album, wo ihr noch bis Freitag beim Crowdfunding mitmachen könnt :-))


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